Sapphire Nitro+ Radeon RX 6800 XT SE, die Technik:


Zunächst wie gewohnt einige Basics zu der implementierten Technik, die Gerüchteküche brodelte im Oktober 2020 üppig und verhieß im Vorfeld nichts gutes zum Big Navi 21 XT Grafikchip, der Weiterentwicklung des NAVI 10 Grafikchips (RX 5700). Es wurden düstere Bilder mit sehr hohem Strombedarf gezeichnet, zumindest hinsichtlich der zu erwartenden Grafikleistung war man seinerzeit aber immerhin optimistisch.

Kommen wir zu den Eckdaten des Navi21 Grafikchips, hergestellt bei TSMC mit 7-Nanometer-Technik, 519 Quadratmillimeter groß und mit 26,8 Milliarden Transistoren versehen. Darin packt AMD insgesamt 80 Compute Units mit je 64 Shader-Rechenkernen.
Nun stellt sich natürlich die Frage, wie ermöglicht AMD eine nahezu verdoppelte Rechenleistung im Vergleich zu den wahrlich nicht langsamen RX 5700 Grafikkarten?
Der Grafikspeicher ist diesbezüglich jedenfalls keine Erklärung, denn 16 GByte GDDR6-RAM an einem Speicherbus mit 256 parallelen Datenleitungen gleicht dem Vorgänger. Lediglich dessen Datenrate liegt mit 16 GBit pro Sekunde etwas höher als bei der Radeon RX 5700 (XT), sodass nun nominell 512 GByte/s auf dem Datenblatt stehen anstatt 448.

Eine wesentliche Komponente von Big Navi ist der Infinity Cache, kurz IC. Dabei handelt es sich um einen für Spiele und Anwendungen transparenten Last-Level-Cache, der die für Grafikchips erstaunliche Kapazität von 128 MByte hat und von 4 MByte Level-2-Cache unterstützt wird. AMD hat im Simulator mit mehreren Abstufungen bei der Größe experimentiert und ab 128 MByte eine gewisse Sättigung festgestellt. In Spielen soll sich dieses Feature besonders wirksam darstellen, innerhalb einer 4K Auflösung soll eine Trefferquote von nahezu 60% möglich sein, d.h. 6 von 10 Speicherzugriffen können an dieser Stelle kompensiert werden.

Dabei liefert der IC über 16 jeweils 64-Bit-Kanäle bei einem Maximaltakt von 1,94 GHz knapp 2 TByte/s und ist damit etwa viermal so schnell wie der normale GDDR6 VRAM. Darin enthalten ist eine Boost-Funktion, die für eine 550 GByte/s extra Portion Power steht, solange das elektrische Leistungsbudget noch nicht erschöpft ist.

Der Infinity Cache hat aber noch eine weitere Funktion: Er speichert Teile der Raytracing-Beschleunigungsstrukturen, die für die Ray Accelerators wichtig sind. Mit diesen beschleunigt AMD erstmals Raytracing über spezialisierte Hardware-Schaltungen. Dabei geht man aber im Vergleich zu nvidia einen differenten Weg.
Die Raytracing-Einheiten bei AMD übernehmen "nur" die Schnittpunktberechnungen zwischen den Strahlen und den BVH-Boxen beziehungsweise auf der untersten Ebene der Dreiecke. Die Raytracing-Leistung kann im Gegensatz zur Raster-Leistung dabei allerdings nicht mit Nvidias neuesten RTX-Karten konkurrieren. Im 3DMark Port Royale etwa ist die RX 6800 XT "nur" so schnell wie ein OC-Modell der GeForce RTX 2080 Ti und liegt mit 9031 Punkten ca. 10 Prozent vor einer RTX 3070. Im (Soft-)Raytracing-Benchmark Neon Noir sieht es leider sehr ähnlich aus, da ergeben sich für AMD bezüglich der kommenden RX 7000 Grafikkarten im Herbst 2022 noch einige Optimierungs-Optionen...

Etwas spannender war das Ergbnis des neuen 3DMark Feature Tests für Raytracing, der nahezu die komplette Szene via Raytracing darstellt und zugleich eine Einstellmöglichkeit für die Sampleanzahl pro Pixel (spp), also die Strahlen, bietet. Hier zeigte sich, dass ausgehend von 2 spp die Radeon RX 6800 XT den Rückstand auf die GeForce RTX 3070 von 31 Prozent auf 15 Prozent bei der Maximaleinstellung von 20 spp verringern konnte und das ist wahrlich nicht wenig. In der Grafikwertung des 3DMark Firestrike Extreme hingegen, wo einzig und allein die klassische Rasterisierungsleistung zählt, hängt AMD mit der RX 6800 die beiden GeForce-Karten um mindestens 47 Prozent ab und liegt sogar noch vor einer mehr als doppelt so teuren RTX 3090.


Das soll zunächst als Einstieg genügen und jetzt sehen wir uns an, wie sich Sapphire dem Thema angenommen hat:

Die in einem Onlineshop unserer Wahl gekaufte Sapphire Nitro+ Radeon RX 6800 XT SE offenbart nach dem Auspacken direkt die ersten Enttäuschungen: keine Spielevollserion, keine Adapter und auch kein erwähnenswertes Handbuch, das ist angesichts des Preises nicht gerade eine Offenbarung.
Der optische Ersteindruck der bei TSMC gefertigten Grafikkarte, ist nicht nur wegen der Abmessungen Respekt einflößend, dabei ist der Kühler gar nicht einmal so gewaltig wie vermutet, diesbezüglich existieren durchaus monströsere Kühlergebilde, die bis zu 4 Slots und darüber hinaus belegen können. Die Höhe des Kühlers respektive der Karte fällt diesmal mit 134mm akzeptabel aus, insofern sollte es auch keinerlei Kollisionsprobleme mit dem PC Gehäuseoder anderer Bauteile geben. Die Platine ist mit ihren 260mm minimal kürzer ausgelegt als bei anderen Sapphire Versionen. Dabei wäre zu berücksichtigen, dass die Grafikkarte je nach Mainboard Layout den internen SATA-Ports sehr nahe kommen kann, denn die Gesamtlänge beträgt immerhin 310mm.

Der Sapphire Nitro + TRI-X Kühler, 6x 6mm Heatpipes, 0dB-Zero-Fan-Modus hinterläßt den Betrachter mit einem guten Gefühl, hier scheint nichts wesentliches unterdimensioniert konzipiert zu sein. Das Ganze wurde wie gesagt als 0dB-Zero-Fan-Modus ausgelegt, d.h. solange die Grafikkarte nicht wärmer als 46"C wird, verbleiben die beiden Lüfter im Ruhezustand und rotieren nicht. Erst darüber hinaus setzen sich die Lüfter langsam in Bewegung, wobei dies gemächlich erfolgt und nicht gleich in einem Fönmodus anläuft. Dadurch bleibt die Karte sehr lange sehr leise, ohne das eine adäquate Kühlung aller relevanten Grafikkarten-Bereiche vernachlässigt wird.

Überdies trägt Sapphire in ihrem minimal überarbeiteten Referenz-Platinen-Layout entscheidend zur Erhöhung der Signalqualität bei, ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es um Stabilität geht, zu der die 12-lagige Platine als solche ebenfalls ihren Teil beiträgt. Üblicherweise kommen an diese Stelle 6-oder maximal 8-lagige Platinen zum Einsatz. Die Platinen Qualität von Nvidia korrespondiert duchaus mit dem restlichen Equipment, insofern überrascht es nicht, das wir ausschließlich FR5 Qualität vorfinden. Das dies eine Rolle spielt, wissen unsere aufmerksamen Leser selbstverständlich, denn die Güte der Platine sagt viel über deren Kriechstromfestigkeit und Hochfrequenzeigenschaften aus. Falls es jemand nicht wissen sollte, FR steht für flame retardant, zu deutsch: flammenhemmend. Die Einstufungen FR1 und FR2 sind kaum erwähnenswert und bleiben der Standard Qualität vorbehalten. Ab FR3 wird es für brauchbare Geräte interessant, denn so eine Platine besteht aus Epoxidharz + Papier, wobei hier mittlerweile auf Phenolharz verzichtet wurde. Dementsprechend wären diese Platinen im Normalfall auch frei von gesundheitsschädlichen Aldehyden. Ab FR4 darf man getrost von sehr hochwertig und ab FR5 von highend Platinen sprechen.

Darüber hinaus wurde sehr viel Wert auf eine möglichst perfekte Spannungsversorgung gelegt, denn die Grafikkarte soll ja auch noch weitere Übertaktungen ermöglichen. Dafür zog Sapphire ebenfalls einige Register, die Spannungsversorgung der GPU wurde 13-phasig ausgelegt, der Speicher erhielt 3 Phasen: macht summa summarum eine 16-Phasen-PWM-Architektur. Die Spulen auf der Platinenvorderseite sind mit Epoxidharz vergossen worden, so daß die Spulen dieses Layouts normalerweise weder pfeifen, fiepen oder anders geartete Geräusche von sich geben. Wer das einmal selbst testen möchte, benötigt dazu keine externen Tools oder Tricks, unter Windows 7 einfach den Windows-Leistungsindex aufrufen und komplett durchlaufen lassen. Diejenige Karte die hier nicht fiept, wird dies in der Regel auch in keinem anderen Aggregatszusatnd tun. Unsere Sapphire durchlief diesen Test nicht geräuschlos, aber auch nicht so, dass es nervte, da haben wir schon ganz andere Probanten erlebt.

Das Gewicht von 1224 Gramm stellt den PCI-Slots zwar vor keine größeren Belastungs-Probleme, die Befestigung dieses Schwergewichtes sollte aber sichergestellt sein, darum ist eine Verschraubung über beide Einbauslot-Blechnasen unbedingt anzuraten. Nicht genutzte Ports mit einer passenden Abdeckung zu schließen und somit vor Staub zu schützen, sollte von anderen Herstellern übernommen werden, diese Idee ergibt wirklich Sinn. Die beiden Stromanschlüsse (2x 8-polig) liegen gut zugänglich oben auf der Grafikkarte, somit verlängern sie die Karte nicht noch zusätzlich und erleichtern auf diese Weise den Anschluß. Die beiden Stromversorgungs-Port sind zur Stromversorgung über das Netzteil leider notwendig, die Grafikkarte verbraucht unter Vollast an die 440 Watt und die sind natürlich nicht aus den PCI-e Slots abgreifbar, dort ist bei 75 Watt die obere Grenze schon erreicht.

Der Vollständigkeithalber, im Idle Modus ohne nennenswerte Grafiklast nimmt die Sapphire dank 7-nm-Fertigung nur etwa 9 Watt aus der Steckdose respektive Netzteil. Wer ein aktuelles Netzteil mit den passenden Steckverbindungen besitzt (bitte keinesfalls mit Adaptern arbeiten, sondern unbedingt über differente Rails), sollte die beiden Stromanschlüsse natürlich auch entsprechend verstöpseln, ansonsten hagelt es Piep-Kanonaden vom Mainboard. Ein aktuelles hochwertiges Netzteil mit entsprechenden Anschlüssen und moderner adäquater ATX 2.5 Technik ist Pflicht für diese Grafikkarte.

Anschlußtechnisch hat sich relativ wenig geändert. Die Sapphire verfügt über 6 korrosionsgeschützte Anschlußports (1x HDMI 2.1, 3x DisplayPort 1.4a, 1x USB-C mit DisplayPort 1.4a) mit einer maximalen digitalen Auflösung von 7680 x 4320 Pixel. Das auch diese AMD a Generation über keinen reinrassigen VGA-Port mehr verfügt, überrascht vermutlich niemanden. Dies ist aus technischer Hinsicht kausal nachvollziehbar, zumal ein VGA Port weder die Auflösung, noch die Darstellungs-Qualität aktueller Grafikkarten an hochwertige Monitore liefern kann. DisplayPort ist daneben vor einigen Jahren angetreten, die ausgereizten Schnittstellen VGA und DVI endlich abzulösen. Wobei das größte Manko dieser Schnittstelle zur Zeit sicherlich die wenig verfügbaren TFTs mit eben diesem Port darstellt, was sich glücklicherweise in den letzten Jahren geändert hat. Während analoges VGA höchstens noch für den Anschluss von Notebooks an Beamer oder von PCs an billigen Monitoren eine Rolle spielt, ist DVI auf 1600 x 1200 bzw. 1920 x 1200 Bildpunkte begrenzt, heißt es in der Beschreibung für den Display Port. Über den HDMI Port können Dolby-Digital-, Dolby-Digital-Plus, Dolby-TrueHD-, DTS- sowie DTS-HD-Tonspuren von einer DVD, Blu-ray oder HD-DVD entsprechend ausgegeben werden. Alle Ports können gleichzeitig genutzt werden, eine wichtige Information für die entsprechenden Anwender. Mehrere Monitore (maximal 6 Stück) können natürlich auch genutzt werden. Wobei dies wie immer natürlich von den Monitoren abhängt, sechs Monitore in 8K sind defintiv nicht möglich.